Immer gradaus!?

Manchmal hört man etwas, das sich tief einprägt und immer wieder hochploppt, ohne dass man das will. Ich rede in diesem Fall jedoch nicht von sogenannten Glaubenssätzen, sondern von dem Verkehrt-Hören eines Wortes, das einem Satz einen völlig anderen Sinn verleiht.

In meinem Fall war es ein Pfarrer meiner Kindheit, der sagte: Wer seine Hand an den Pflug legt und zieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes. (Lukas 9, 62)

Bibelkenner haben es vielleicht schon gemerkt, da stimmt was nicht. Aber so hörte ich es damals: … und zieht zurück. Ich dachte, so klein ich war – und ich wusste zum Glück, was ein Pflug ist – wie komisch das denn wohl sei, ein Bauer, der pflügen will, würde auf die Idee kommen, den Pflug rückwärts zu ziehen. Geht doch gar nicht. Auch das Pferd oder der Ochse müssten ja zum Zurückgehen gebracht werden. Was ein Aufwand! Kurz: Ich war der Meinung, toller Spruch, dann sind ja viele Menschen geschickt dafür (doppelter Wortsinn!), wo ist also das Problem?

Nun hatte ich schon in der Kindheit viel Kirche um mich herum, und es gab auch den Tag, an dem ich dachte, dass es vermutlich ein Schreibfehler in der Bibel sei. Denn dort steht sieht und nicht zieht. Wie auch immer, zieht erschien mit logischer, denn sieht fand ich noch unnützer, außerdem nicht umsetzbar, denn wenn ich geradeaus pflügen will, kann ich sowieso nur nach vorne oder seitlich gucken. Menschen sind schließlich keine Eulen, die ihre Köpfe bekanntlich bis fast ganz nach hinten drehen können. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das irgendwer beim Pflügen nach hinten sehen wollte.

Nun aber heißt es in der Tat sieht. Dies aber würde bedeuten, dachte ich mir als Erwachsene, dass Jesus von Nazareth damit all jene unterstützt, die mit dem Dollarzeichen in den Augen, wie man so sagt, immer geradeaus laufen und „Wachstum,Wachstum“ rufen und „Wir müssen nach vorne schauen, wir müssen nach vorne schauen!“. Also die Leute, die überhaupt nicht gerne reflektieren, denen das auch viel zu anstrengend ist, über das nachzudenken, was mal war. Diese linearen Pfeilleute, die auf geradem Karriereweg nach vorne rennen, aus lauter Angst, man könnte merken, dass sie Angst haben. Dafür verbreiten sie um sich herum Angst und Schrecken, der Weg ist das Ziel, immer weiter, nach vorne schauen, und wer das nicht kann, ist nicht geschickt für, nun, den Mammon, den Erfolg, in spirituellen Kreisen sogar die Lebensfreude, in manchen religiösen Kreisen das Reich Gottes, das Was-auch-immer.

So hat es der Mann aus Nazareth aber nicht gemeint, da bin ich mir sicher. Wie so viele Sätze, die er von sich gab, gibt es auch bei Lukas 9,62 mehrere doppelte Böden, Dimensionen, nenn es wie Du willst. Und nachdem ich nun so viele Jahre immer wieder darüber nachgedacht habe, schreibe ich jetzt als Nicht-Theologin in solidem protestantischen Bewusstsein hier hin, was ich denke, das da drin steckt, in diesem Satz.

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes. So isses, und das Schöne ist, dass überhaupt niemand das tun wollen muss. Denn wenn man sein Feld bestellt und da so geradeaus pflügt – was passiert am Ende der Furche, auch auf einem Megafeld der alten LPGs oder den noch krasseren Industrie-Megafeldern amerikanischer oder russischer Monokulturen? Genau. Irgendwann ist die Furche zuende und man muss umdrehen. Ha! Dann pflügt man neben der soeben gezogenen Furche weiter – immer noch geradeaus! – und hat einen wunderbaren Blick auf das, was man schon gepflügt hat. Erst überblickt man also eine Furche, dann zwei, drei und so weiter. Bis das Feld fertig ist. Dann beißt man aber nicht ins Gras, sondern hat weiter auf dem Feld zu tun. Bis man irgendwann wartet, pflegt und schließlich erntet. Insgesamt so, wie indianische Kulturen mit der Welt umgehen: Immer schön die sieben vorigen und die sieben nachfolgenden Generationen im Blick haben. DAS ist Nachhaltigkeit! So würde man auch das Reich Gottes, das ja schon da ist, zum Wohle aller Menschen gestalten können.

Doch leider sind noch viele Linear-Menschen unterwegs, die sich gar nicht um das Ende einer Furche scheren. Die pflügen immer weiter, obwohl es gar nicht mehr ihr Land ist. Vermutlich sehen sie vor lauter Gestrüpp ihr eigenes Feld nicht mehr – und wollen das auch gar nicht.

Wenn Du Lust hast, bisschen Ordnung in Dein eigenes Feld zu bringen, weil es seit Jahren brach liegt und Du mittlerweile gemerkt hast, dass Du Dich immer wieder auf fremde Felder verirrst, auf denen Du Dich noch unwohler fühlst, unterstütze ich Dich gerne mit Lebenskunst für alle, archaischen Methoden fürs Zurückholen von Seelenanteilen in Eigenpflügerei bzw. -regie.

Vielen Dank fürs Lesen, solltest Du bis hierher drangeblieben sein. Lass uns jetzt die Felder der Welt bestellen, auf denen wir zu tun haben, okay? Wir sind nämlich alle geschickt dafür. Wobei „geschickt“ in diesem Fall, wie schon oben erwähnt, aus gutem Grund eine doppelte Bedeutung hat. 🙂

Immer ein gutes Händchen am Pflug wünscht Dir
Deine Ulriqe

PS: Vielleicht hattest Du ein bisschen Spaß beim Lesen dieses Artikels, dann freue ich mich über einen Kommentar von Dir. 🙂